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Auf Kriegsfuß mit der Pressefreiheit

Auf Kriegsfuß mit der Pressefreiheit

Erstmals belegt die EU zwei deutsche Journalisten mit Sanktionen — ein Dammbruch im Umgang mit abweichenden Positionen.

Die Sanktionen im Detail

Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU wurden die Sanktionen gegen Alina Lipp und Thomas Röper rechtswirksam. Beide dürfen in kein EU-Land mehr einreisen; ihre Konten, falls in der EU vorhanden, sind eingefroren. Die Begründung: „Unterstützung von Handlungen, die die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine gefährden“. Im Klartext bedeutet das: Ihre journalistische Tätigkeit gilt als politisches Delikt. Und das ist nicht mehr weit entfernt von einem Berufsverbot.

Wer sind Lipp und Röper?

Alina Lipp betreibt den Kanal „Neues aus Russland“ und berichtet seit Beginn des Kriegs aus russisch kontrollierten Gebieten in der Ukraine. Thomas Röper betreibt den Blog „Anti-Spiegel“ mit Fokus auf kritische Analysen westlicher Medienberichterstattung. Beide gelten als einflussreiche Stimmen innerhalb eines alternativen Medienmilieus mit eindeutig prorussischer Perspektive. Doch bisher bewegten sie sich innerhalb der Schranken der Meinungsfreiheit.

Meinungsfreiheit als Sicherheitsrisiko?

Mit diesen Sanktionen verlässt die EU erstmals den Rahmen strafrechtlich relevanter Handlungen. Es geht nicht um Aufrufe zu Gewalt oder nachweisbare Falschaussagen, sondern um politische Deutungen, die dem offiziellen Kurs widersprechen.

Damit wird ein neuer Maßstab gesetzt: Wer öffentlich Positionen vertritt, die als „narrativgefährdend“ gelten, kann mit persönlichen Sanktionen belegt werden — ohne Gerichtsverfahren, ohne Anklage, ohne Verteidigung.

Das ist ein massiver Tabubruch in der politischen Kultur Europas.

Die juristische Grauzone der „hybriden Bedrohung“

Der Begriff der „hybriden Bedrohung“ dient zunehmend als Containerbegriff für Desinformation, psychologische Kriegsführung und narrative Einflussnahme. Was darunter fällt, entscheidet die politische Mehrheitsmeinung, nicht ein unabhängiges Gericht. Das öffnet die Tür für eine willkürliche Ausweitung des Begriffs auf unliebsame Journalisten, Aktivisten oder Wissenschaftler. Und es macht Angst.

Der Meinungskorridor verengt sich

Während die EU nach außen Demokratie und Meinungsfreiheit verteidigt, schrumpft der innenpolitische Raum für abweichende Meinungen. Wer die Ukraine-Politik kritisiert, die NATO hinterfragt oder auf die ökonomischen Interessen des Westens hinweist, wird zunehmend als „Putin-Versteher“, „Verschwörer“ oder gar „Gefahr für die Sicherheit“ gebrandmarkt. Die Sanktionierung deutscher Journalisten könnte zum abschreckenden Vorbild werden, für Regierungen, die ohnehin mit kritischer Presse auf Kriegsfuß stehen. Die Botschaft ist klar: Wer sich nicht beugt, wird gebrochen.

Die Reaktionen: Schweigen, Zustimmung, Entsetzen

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) schweigt bislang. Auch die größeren Medien vermeiden klare Stellungnahmen. Einzig einige alternative Plattformen, Blogger und wenige Juristen warnen vor einem Dammbruch. Die einen fühlen sich bestätigt, die anderen eingeschüchtert. In sozialen Netzwerken läuft eine Polarisierung an: Während die einen „Endlich!“ rufen, erkennen andere ein Modell politischer Repression. Und viele andere werden still. Aus Angst.

Der Preis der Einseitigkeit

Eine Gesellschaft, die nur noch eine Wahrheit zulässt, verliert ihre geistige Freiheit. Es mag unangenehm sein, Positionen wie die von Lipp oder Röper auszuhalten. Doch in einem demokratischen Rechtsstaat ist nicht die Zustimmung zur Mehrheitsmeinung der Prüfstein, sondern der Schutz des Dissens. Wer das aufgibt, opfert Meinungsfreiheit auf dem Altar der Gesinnungsethik. Und genau das geschieht gerade vor unseren Augen.

Was jetzt geschehen muss

  • Es braucht eine rechtliche Klärung: Nach welchem Maßstab darf die EU eigene Bürger sanktionieren?
  • Es braucht Transparenz: Welche Inhalte gelten als sanktionswürdig, wer entscheidet darüber?
  • Und es braucht Journalisten, die nicht nur über Lipp und Röper schreiben, sondern über die Entwicklung, die hinter diesen Sanktionen steht: der Umbau der Demokratie unter dem Deckmantel ihrer Verteidigung.
  • Und es braucht den Mut, diesen Tabubruch offen zu benennen: Wenn man in Deutschland Journalisten mit Sanktionen überzieht, wenn Konten eingefroren werden, Reiseverbote verhängt werden, dann sind wir nicht mehr weit entfernt von einem digitalen Berufsverbot. Wer wird der Nächste sein? Und wer wird dann noch den Mut haben, etwas anderes zu sagen?

Fazit: Wer heute fragt, wird morgen sanktioniert? Noch ist es nicht so weit. Aber der erste Schritt ist getan. Jetzt kommt es auf die Antwort an. Und darauf, ob wir schweigen, oder Journalismus wieder ernst nehmen: als Kontrolle der Macht, nicht als Sprachrohr für ihre Narrative.


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Quellen und Anmerkungen:

  1. Pressemitteilung des Rates der EU vom 20. Mai 2025 Die Europäische Union hat zusätzliche restriktive Maßnahmen gegen 21 Einzelpersonen und 6 Organisationen verhängt, darunter die deutschen Blogger Alina Lipp und Thomas Röper, wegen „destabilisierender Aktivitäten“ und „systematischer Desinformation“ im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Quelle: https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2025/05/20/russian-hybrid-threats-eu-lists-further-21-individuals-and-6-entities-and-introduces-sectoral-measures-in-response-to-destabilising-activities-against-the-eu-its-member-states-and-international-partners/
  2. Amtsblatt der EU — Durchführungsverordnung (EU) 2025/965 Diese Verordnung enthält die rechtliche Grundlage und detaillierte Liste der sanktionierten Personen, einschließlich der spezifischen Maßnahmen wie Reiseverbote und Einfrieren von Vermögenswerten. Quelle: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A32025R0965

Medienberichte:
3. Yahoo News — EU verhängt Sanktionen gegen zwei pro-russische deutsche Blogger
Bericht über die Sanktionen gegen Alina Lipp und Thomas Röper aufgrund der Verbreitung von Desinformation über den Ukraine-Krieg.
Quelle: https://www.yahoo.com/news/eu-imposes-sanctions-two-pro-165438983.html
4. Radio Free Europe/Radio Liberty — EU's Latest Sanctions Package Against Russia
Analyse des jüngsten Sanktionspakets der EU gegen Russland, einschließlich der Maßnahmen gegen Lipp und Röper.
Quelle: https://www.rferl.org/a/eu-russia-sanctions-package-ukraine-hungary-/33409397.html
5. Big News Network — EU sanctions against me a signal to all Europeans: German journalist
Interview mit Thomas Röper, in dem er die Sanktionen als Signal an alle Europäer bezeichnet.
Quelle: https://www.bignewsnetwork.com/news/278231676/eu-sanctions-against-me-a-signal-to-all-europeans-german-journalist

Hintergrundinformationen:
6. Correctiv — Russland grüßt auf Telegram: Wie Propaganda und Fakes nach Deutschland gelangen
Analyse der Rolle von Alina Lipp bei der Verbreitung prorussischer Propaganda über Telegram.
Quelle: https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2024/04/10/telegram-analyse-desinformation-russland-vernetzt-sich-um-alina-lipp-in-deutschland-mit-propaganda-fakes-zum-ukraine-krieg/

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